2017: Biographie und Migration

Biographie und Migration
19. bis 21.10.2017 im Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE), Oldenburg

Bei diesem Workshop des Zentrums für Biographik standen die Schnittstellen von Biographie- und Migrationsforschung im Zentrum. Zunächst haben wir uns im 2005 eröffneten Deutschen Auswandererhaus in Bremerhaven umgeschaut, das Auswanderung und Einwanderung bevorzugt anhand einzelner Biographien erzählt. Unseres Erachtens fehlt aber insbesondere im zweiten Teil der Ausstellung eine bessere Verknüpfung von Kontext, Biographien und Exponaten. Die Vor- und Nachteile der biographischen Narrative und Spurensuchen wurden lebhaft – auch mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter des Hauses – diskutiert. Anhand eines Textes von Maria Alexopoulou und der Überlegungen von Levke Harders standen am zweiten Tag Desiderate der (biographischen) Migrationsforschung ebenso wie begriffliche Debatten im Zentrum. Wer ist überhaupt Migrant*in und warum? Wie unterscheiden sich Mobilität und Migration, aber auch Nicht-Migration und Migration? Es wurde deutlich, dass die Migrationsgeschichtsschreibung zwar von Ansätzen und Diskussionen anderer Disziplinen profitiert, insbesondere im deutschsprachigen Raum aber dringend neuer Perspektiven und Fragestellungen bedarf. Biographik erscheint dabei als ein geeigneter Weg, Migrationsgeschichte zu erweitern.

Anregungen dazu erhielten wir durch zwei Kolleginnen vom Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) an der Universität Osnabrück: Anna Flack stellte ihr Dissertationsprojekt, Anna Kaim ihre Masterarbeit vor („Überlegungen zu generationenübergreifenden Narrativen zu Migration in [palästinensischen] Familienbiographien“). Beide diskutierten mit uns vor allem ihre methodischen und theoretischen Zugänge, denn sowohl qualitative Interviews und ethnographische Methoden als auch die methodologische Reflexion dieser Ansätze sind für die Verknüpfung von Migrations- und Biographieforschung produktiv. Dies bestätigte auch Hans-Christian Petersen mit seinen Plänen einer biographischen Studie zu Karl Stumpp, dem „Patriarchen“ der Russlanddeutschen, der das historische Gedächtnis dieser heterogenen Gruppe bis heute nachhaltig geprägt hat. Flucht und Migration werden seit geraumer Zeit auch in Dokumentar- und Spielfilmen thematisiert – ein Beispiel dafür stellte Diana Weilepp (Oldenburg) mit „On The Bride’s Side“ (Antonio Augugliaro, Gabriele del Grande, Khaled Soliman al Nassiry, Italien 2014) vor.

Neben dem Schwerpunkt „Biographie und Migration“ wurden aktuelle Projekte erörtert. So wählten Anne Schülke und Kolleg_innen einen ganz anderen Zugang zum Thema Biographie: Im Filmprojekt „Open Studios // Open Minds“ setzen sich Jugendliche mit Kunst, Kunstproduktion, Künstler*innen und ihren Ateliers auseinander und produzieren biographische Porträts entlang ihrer eigenen Fragen. Am letzten Tag gab dann Myriam Richter vielversprechende Einblicke in ihre Schreib- und Zeichenwerkstatt für den zweiten Band der biographischen Studie Werner von Melles.

Nicht zuletzt feierte das Zentrum für Biographik mit einem kleinen historischen Rückblick von Christian Klein sein langjähriges Bestehen und das Erscheinen des Sammelbandes unserer internationalen Tagung über „Legitimationsmechanismen des Biographischen“, die 2012 an der Bergischen Universität Wuppertal stattgefunden hatte. Als 117. Band des „Jahrbuchs für Internationale Germanistik“ inzwischen auch publiziert:

Klein, Christian / Schnicke, Falko (Hg.): Legitimationsmechanismen des Biographischen. Kontexte – Akteure – Techniken – Grenzen. Bern, Berlin 2016.