2014: Biographik in Ausstellungen / Objekt-Biographien

Biographik in Ausstellungen
(14. bis 16.02.2014 in Fürstenberg/Havel)

Am Beginn des Treffens stand der Austausch über den Film “Verzaubert”, D 1992, der u.a. die Verfolgung bzw. die Nachkriegsgeschichte von lebischen Frauen und schwulen Männern in Hamburg nachzeichnet.
http://www.werkstatt-der-erinnerung.de/data/Bestaende_Homosexuelle.php

Der Samstagvormittag war der Analyse der Ausstellungen in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück vor Ort gewidmet. Nach einer Führung von Dr. Sabine Arend durch die 2103 eröffnete Daueraustellung “Das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück. Geschichte und Erinnerung” mit Fokus auf die dort präsentieren Biographien von ehemaligen Häfttlingen sowie Angehörigen des SS und der Aufseherinnen, sichteten die Teilnehmenden in drei Gruppen drei weitere Ausstellungen, um anschließend die verschiedenen biographischen Formate vergleichend zu diskutieren. Sprache, Informationsgehalt, Narrative und die Auswahl der Fotos und Zitate wurden kritisch reflektiert. Es wurde eine Entwicklung zur Multiperspektivität und Kontextualisierung der Dokumente und Exponate festgestellt. Durch die Kürze der Texte würden manchmal Dinge zusammengezogen, die inhaltlich keinen Bezug zueinander haben. Die detallierten Täterbiografien wurden als sehr positiv rezipiert: zum einen, weil sie Anregung gäben über das Wesen von Täterschaft nachzudenken (z.B. Brutalität versus strukturelle Gewalt); zum anderen, weil die Darstellung sachlich sei und BesucherInnen sich vorstellen könnten, dass „das war mein Nachbar“. Kritisiert wurde in der Ausstellung über die SS-Offiziere, dass die Biografien der Ehefrauen in der ehemaligen Küche des Wohnhauses installiert sind.

Am Nachmittag stellte Dr. Hannes Schweiger unter dem Titel “Biographische Präsentation in der „Ernst Jandl Show“” eine Ausstellung des Wien Museums und des Ludwig Bolzmann Instituts für Geschichte und Theorie der Biographie in Kooperation mit der Österreichischen Naitonalbibliothek vor.

Die die Präsentation leitenden Fragen lauteten:

  • Wie kann eine biographische Ausstellung anfangen?
  • Welche Bedeutung spielt die räumliche Anordnung?
  • Welche Art von Materialien werden mit einbezogen?
    Welche Art von Materialien werden ausgeschlossen?
  • Repräsentation/Präsenz des Biographierten in der Ausstellung.

Schweiger diskutierte den Weg bis zur thematisch-chronologischen Aufteilung der Ausstellung und erläuterte die Auswahlkriterien zu den Exponanten. Diese orientierte sich zum einen an der Frage von Privatheit und Öffentlichkeit. Zum anderen wurden Materialien ausgewählt, die die Arbeitsweise von Jandl veranschaulichen sollten. Ein weiteres Auswahlkriterium war die Serialität der Objekte.

Den Abschluss des Treffens bildete dann wieder die Hinwendung zum konkrekten Ort mit Impulsreferaten von der Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Dr. Insa Eschebach -„Täterfotographie in der neuen Hauptausstellung“- und dem Leiter der Pädagogischen Dienste der Gedenkstätte, Dr. Matthias Heyl –„Geschichte in Geschichten. Biografik als Zugang“.

Am Beispiel der Täterfotografien der Ravensbrücker Hauptausstellung beschäftigt sich Insa Eschebach mit den Begriffen „Täterfotografie“ und „Täterblick“. Lange Zeit hat es aus verschiedenen geschichtspolitischen Gründen in den NS-Gedenkstätten keine Thematisierung von Tätern gegeben. Auch die Opferverbände waren aus mehreren Gründen dagegen: Die Opfer sollten im Vordergrund stehen und den Tätern sollte kein Raum gegeben werden; „etwas ausstellen“ wurde mit „etwas ehren“ verknüpft; schließlich gab es die Sorge, dass Ausstellungen zu Tätern unerwünschte rechte Besucher/innen anziehen könnte. Das hat sich geändert, sodass nunmehr Täter in den Ausstellungen thematisiert werden. Anhand des Bildmaterials aus Ravensbrück entwarf Insa Eschebach eine Typologie von Täterfotografien, die deutlich macht, das es eine heterogene Gruppe von Aufnahmen und keine geschlossene Gattung ist. Es gäbe aber einen „Täterblick“, den Insa Eschebach durch zwei Merkmale kennzeichnet: a) die Herabsetzung der fotografierten Menschen; b) die Gleichgültigkeit gegenüber den Häftlingen.

In seinem Referat reflektierte Matthias Heyl, wie man autobiografisches Material in der Bildungsarbeit der Gedenkstätte nutzen kann und welche Schwierigkeiten oder Herausforderungen es dabei gibt. Das Ziel der Bildungsarbeit sei es, dass sich die Besucher/innen die Orts- und Geschehensgeschichte erschließen. Die Überlebenden sehen sich in Interviews der Situation gegenüber, dass sie ihre Erzählung strukturieren müssen – dabei erzählen sie von einer Situation, die vielleicht keine Struktur hatte, sondern deren Kennzeichen Willkür war.

Die verschiedenen zeitlichen Bedingtheiten der Lebensinterviews (Die Fragen, die Antworten der Überlebenden, das Verständnis der Zuhörenden, die Interaktion zwischen diesen drei Parteien, die Auswahl der Ausstellungsmacher/innen und schließlich die Ästhetik der Texte) wurden abschließend intensiv diskutiert und die Imbalance zwischen dem Erzählten und Unerzählten (die “Stimmen” der Ermordten fehlen”) problematisiert.

Bei allen berechtigten Fragen sahen die Teilnehmenden ein Vorteil von Biografien  darin , dass sie die Besucher/innen zwängen, die Distanz aufzugeben und die Geschehnisse an sich heranzulassen. Und bezüglich der Fotos wurde resmuiert, dass sie nicht auf die Frage nach dem Dokumentations- und Wahrheitsanspruch verengt werden sollten, sondern es gilt, ihre vielfältigen Funktionen zu untersuchen.

 

Objekt-Biographien – Biographien von Wissenschaftler_innen und wissenschaftlichen Objekten
(7. und 8.11.2014 in Berlin)

Bericht folgt…